Einleitung Tresortage
Die Sprengung erfolgte wie geplant. Durch das mehrfache kreisförmige Anbohren der Außenmauer der Hohenauer Kreditbank wurde mit der Sprengladung im davor stehenden Tresor ein rundes Loch herausgesprengt. Da der Sprengstoff im Stahlbeton der Tresorrückwand detonierte, war nur ein dumpfer, tiefer Basslaut zu hören. Das herausgesprengte Tresorteil drückte das geplante Mauerstück nach außen und beide fielen gemeinsam auf die gepolsterte Ladefläche des wartenden Kleinlasters. Nachdem sich die Staubwolke verzogen hatte, kletterte der Dieb auf der vorbereiten Leiter zum neuen Loch in der Rückwand des Bankgebäudes und stieg in den Tresor hinein.
Wie vorausberechnet war der Inhalt völlig unbeschädigt. Die Wucht der Detonation hatte sich nur nach außen ausgewirkt. Er packte die gebündelten, teilweise in Plastik eingeschweißten Geldpakete in die mitgebrachte Tasche und warf sie den Mauerteilen hinterher auf die Ladefläche. Danach kletterte er vorsichtig zurück, schob die Leiter zusammen, legte sie ebenfalls auf die Ladefläche, setzte sich mit der wertvollsten Tasche der Welt (nicht mal Victoria Beckham hat so eine) auf den Fahrersitz und fuhr langsam davon.

Der ganze Vorgang hatte nur drei Minuten gedauert und war fast geräuschlos abgelaufen. Da die Nachbarhäuser auf der Rückseite des Hohenauer Hauptplatzes ausnahmslos Geschäfte und Büros beherbergten, war niemand da, den man hätte aufwecken können. Aber man konnte nie wissen. Besser leise. Was wäre, wenn gerade an diesem Tag einer der Bankangestellten nicht rechtzeitig von seinem Büroschlaf erwacht wäre und die Kollegen sich einen Spaß daraus gemacht hätten, ihn nicht wie sonst zum Feierabend aufzuwecken? Wahrscheinlich wäre es egal gewesen, wenn er durch die Sprengung wach geworden wäre. Aufgrund des von den boshaften Kollegen sicher aktivierten Bewegungsmelders in der Bank hätte er sich nicht bewegen dürfen, ohne die Polizei herbeizulocken. Um der Schlagzeile „Bankangestellter wurde von der Polizei vom Büroschlaf erlöst“, zu entgehen wäre es sinnvoller, sich ruhig zu verhalten.
Dem Dieb war es egal. Er war mit seiner Beute mittlerweile unbemerkt davon gefahren.